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Rezension

Keine Atempause, Geschichte wird gemacht…

Dass Beate Tröger, eine Generation jünger als wir, unser Buch so durchdrungen hat freut uns besonders.

Neue Gesellschaft Frankfurter Hefte

Indem die Erzählerstimmen nicht einfach rückblickend beschreiben, was sich im Leben ihrer Figuren zugetragen hat, sondern das Geschehen kommentieren und dabei manchmal bis in die Gegenwart vordringen, wie etwa in diesem Kommentar Luises: »Bilder wurden verschenkt, Skulpturen gingen verloren. Ihr Verlust hat mich nie geschmerzt. Bis auf eine Skulptur sind alle weg«; indem die Geschichte und Geschichten immer wieder in der Gegenwart verankert werden, entsteht bei aller Distanz der Erzähler zum Erzählten nie der Eindruck, dass die hier erzählte Vergangenheit abgeschlossen wäre
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»Keine Atempause, Geschichte wird gemacht« zitiert Aufprall zu Beginn eine Zeile des Songs Es geht voran der Band Fehlfarben von deren Album Monarchie und Alltag, das im Jahr 1980 erschien. Wer das Album nicht kennt, sollte es vor oder nach der Lektüre von Aufprall hören, um noch deutlicher zu verstehen, wie gut das Konvolut der hier erzählten Geschichten tatsächlich gemacht ist. Etwas Zeittypisches ist im Album der Fehlfarben wie auch im Text von Bude, Munk und Wieland so gut aufgehoben, dass es einem als individuell Erlebtes objektiver verständlich und dadurch umso nachvollziehbarer wird. Vergangenheit wird aktualisiert. Das klingt spröde, ist aber, auch und gerade im Abgründigsten und Kühlsten, oft glühend lebendig – weit mehr als so manches Geschichtsbuch, das von dieser Zeit berichtet.

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Interview Neuerscheinung Rezension

Es ist eine linke Geschichte, zu der aber alle gehören

Ein langes Interview mit BudeMunkWieland von Peter Unfried und Jan Feddersen

Aufprall Interview tat am wochenende 16.1.2021

zum Artikel


taz: Frau Munk, Frau Wieland, Herr Bude, warum haben Sie diesen Roman zu dritt geschrieben?

Karin Wieland: Das ist Ausdruck unserer Freundschaft, die die Grundlage unserer kollaborativen Praxis ist. Das hat nichts mit Sharing zu tun. Es gibt nicht die eine dominante Erzählung, wo einer oder eine weiß, wie es läuft. In AUFPRALL erzählen ein weibliches und ein männliches Ich, Luise und Thomas, und ein Wir. Im Ich sind Liebe, Zweifel, Einsamkeit und Schmerz aufgehoben, im Chor des Wir die politische Aktion, der Druck von innen und außen, die anti-individualistischen Anforderungen des revolutionären Alltags. Das ist im Übrigen ein weiblicher Chor. Und dann ist da dieses eine furchtbare Erlebnis, das Thomas und Luise teilen.

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Neuerscheinung Rezension

Mythos Kreuzberg

Ein langer Spaziergang in der Vorweihnachtszeit mit Ralph Bollmann – Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung – und dem Fotografen Andreas Peine, von Kreuzberg nach Schöneberg und zurück, von der O-Bar zum Merve Verlag entlang all der Points of Interest, vom Kulturbüro Kreuzberg bis zum Risiko.

Mythos Kreuzberg FAS 20210103

Vor 40 Jahren haben die Hausbesetzer einen Stil geprägt, der die ganze Welt eroberte. Ein Rundgang mit drei Revoluzzern von einst.

von Ralph Bollmann

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Neuerscheinung Rezension

Rebellion und Selbstzweifel

Ulrich Khuon schreibt in den Herder Korrespondenzen über Aufprall

Der mehrstimmige Versuch der drei Autoren, ihr Leben exemplarisch zu reflektieren, ist auch deswegen höchst gelungen, weil es keinerlei Stilisierung und Beschönigung ihrer Erfahrungen und des Besetzer-Alltags gibt, weil die Mühen einer autoritätsfeindlichen gemeinsamen Praxis nicht ausgeklammert werden und weil die sozialromantischen Anflüge, die politischen Verhärtungen, das Auseinanderdriften der Gruppe empathisch, aber ohne Schonung erzählt wird. Dieses Buch bringt Demut in unsere gegenwärtigen zu kurz greifenden Versuche, mithilfe generationsspezifischer Zuordnungen die vergangenen Lebenswirklichkeiten und Kämpfe zu sortieren.

Die Wahrnehmung einer bis dato zu wenig ausgeleuchteten Generation schärft ihre mögliche Botschaft für die Gegenwart.

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Fundstück Rezension

Als die DDR träumte

Fundstück: „Keiner, der glaubte oder hoffte, eine Zukunft zu haben, ging damals nach Berlin. So steht es in AUFPRALL, dem Achtziger-Jahre-Roman von Heinz Bude, Bettina Munk und Karin Wieland“ 

schreibt Claudius Seidel in der FAZ
vom 27. März 2021 

Als die DDR träumte - Claudius Seidel - FAZ

Claudius Seidel beleuchtet die Postmoderne in Berlin: „Als die DDR träumte“ ist eine Rezension der Ausstellung „Anything goes?“ in der Berlinischen Galerie.

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Neuerscheinung Rezension

Die Reste der Revolte

Andreas Sommer schreibt in der Hohenloher Zeitung

Rezension Hohenloher Zeitung

Das Liebesideal sind Bindungslosigkeit
und mehrere Beziehungen. Aber der
Glaube ans Kollektiv bröckelt, weil die Konflikte zwischen Intellektuellen, Dauerbedröhnten und Schnorrern in der Szene immer offener zutage treten. Frauenbewegte wie Lynn klagen zudem den Chauvinismus linker Männer an, und mehr und mehr Aktivisten verlassen Berlin. Am Ende fällt die Mauer. Die 80er sind vorbei. Und ein ungemein vielschichtiger und ehrlicher Roman, der den Glauben an das „Zusammen“ aufrecht erhält und eindringlich zeigt, dass Scheitern keine Niederlage sein muss.

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Neuerscheinung Rezension

Die vergessene Revolte der Boomer

Stefan Lüddemann stellt mit dem Satz: 1981 war sie 21 und das Jahr war kobaltblau eine Lieblingssentenz an den Anfang seiner Kritik

NOZ Kritik 4.11. 2020 Stefan Lüddemann

BERLIN „1981 war sie 21, und
das Jahr war kobaltblau.“ Ein
Satz wie eine einzige Verheißung
von Jugend und Aufbruch.

Luise ist die junge Frau, die
Overall trägt, Zigarillos
raucht und Arno Schmidt
liest. Die Studentin kommt
aus Heidelberg, taucht ein in
die Szene der Hausbesetzer
in Berlin-Kreuzberg. Sie weiß
noch nicht, wie dramatisch
sich ihr Leben kurz darauf
verändern wird, aber es steht
stellvertretend für die Altersgruppe
der Boomer und ihre
Jugend in den Achtzigern
zwischen Punk und Aids,
Clubkultur und dem Kult um
Intellektuelle wie Paul Virilio
und Jacques Derrida. Was
war ihre Mission? Wie haben
sie Deutschland verändert?
AUFPRALL erzählt davon.

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Neuerscheinung Rezension

Rolling Stone | November 2020

Buchrezension

Sie stammen aus der westdeutschen Provinz
und landen in den besetzten Häusern Kreuzbergs, wobei es ihnen bald weniger um verfehlte Wohnungspolitik, sondern um ein Lebensgefühl geht. Sie haben genug von der Besserwisserei der Achtundsechziger- Generation , suchen das gelebte Experiment mit offenem Ausgang. Davon erzählt dieses mitreißende Buch

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Neuerscheinung Rezension

AUFPRALL – ein Buch, das man unbedingt lesen muss!

Anja Osswald über AUFPRALL auf der Website WONGCHOY ALWAYS am 30. Oktober 2020

wongchoy always Anja Osswald

So, here we are. Wo auch immer das ist. Mit oder ohne Bar, Bild oder Band – eins ist auf jeden Fall klar, liebe Berlinerinnen, liebe Babyboomer: das ist euer Buch!

Und allen weiteren X,Y und Z-Generationen sei AUFPRALL ebenfalls wärmstens empfohlen – schon allein wegen der ganz analogen Wucht der Geschichte.

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Neuerscheinung Rezension

zwischen Chaostagen und Mervenächten

Thomas Edlinger schreibt am 23. Oktober 2020 im Falter 43/2020, der Wochenzeitung aus Wien, über AUFPRALL

Der Falter Wien Rezension T Edlinger

Der Unfall wirft aber niemanden aus der Bahn, weil es gar keine Bahn gibt, aus der diese jungen Leute geworfen werden könnten. Berlin ist noch lange keine durchgentrifizierte Partystadt, aber auch keine gemütliche Kiezgegend mehr, sondern erscheint als eine graue, kalte und harte Stadt voller Möglichkeiten, in denen die Holzbretter aus den Treppenhäusern verfeuert werden und der Hedonismus noch in den Kinderschuhen steckt.

Das Buch erzählt ohne Sentimentalität, mit dem richtigen Maß an Szenejargon und mit nicht zu viel Pathos davon, dass es Zeiten gab, in denen Teile einer vom Kreuzberger Mikroklima beeinflussten Generation alles infrage stellten und viel aufs Spiel setzten. Statt Familien zu gründen, zelebrierte man den aus dem wilden, französischen Denken importierten „Kult des Verrücktseins“. Genährt wurde der Kampf um das Anderssein und dabei Rechthaben mit radikalen Experimenten wie der weitgehenden Zurückweisung von Privatheit und der Dauerkonfrontation mit ideologischen Verbohrtheiten.

Mit dem Merve-Bändchen über das intensive Leben in der Lederjacke konnte man sich eine Zeitlang als genialer Dilettant fühlen, der gefährliche Denker liest und gefährlich lebt. AUFPRALL zeigt, dass es ein solches Leben zwischen Chaostagen und Mervenächten tatsächlich gab.

Es brauchte aber, und das ist ein wesentlicher Unterschied zu den aufmerksamkeitssüchtigen Social-Media-Aktivitäten von heute, keine Dritten, der dem Experiment im real existierenden Leben Applaus spendete. Man machte einfach. Und am Ende dieses Wegs der Deleuze’schen Eier ohne Sinn und Ziel machten sich manche wie Vroni, eine Arbeitertochter aus Wien, einfach kaputt. Sie stirbt, nachdem sie im „Türkenpuff“ anschaffen ging, an einer damals neuen Krankheit namens Aids. Knapp vor ihrem Tod wünscht sie sich Heurigenlieder von denen, die für sie da waren oder einfach da waren. Für immer Punk eben.