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Neuerscheinung Rezension

Kess und militant

Besprechnung AUFPRALL in der
Süddeutschen Zeitung vom 1. Oktober 2020
von Christoph Bartmann

Der Roman legt nahe, dass sich in der Hausbesetzerszene (die Autoren eingeschlossen) die besten Köpfe ihrer Generation getroffen haben, jedenfalls Leute, die Risiken eingehen, und die für ihre Risikobereitschaft auf Dauer lohnendere Ziele entdecken als die Säuberung leer stehender Häuser von Taubenkot.

Die Generation Aufprall lebt von der Vorstellung, Avantgarde zu sein. Dazu gehört die falsche und im Roman kritisierte These, der Rest der Welt sei irgendwie rückständig und werde sich ohne die vorauseilende Kreuzberger Militanz nicht entwickeln. Man bleibt in diesem Milieu gerne unter sich. Aus Westdeutschland ist man geflohen, Ostberlin und die DDR existieren lange fast gar nicht, und auch der Rest der Welt tut sich erst auf, als irgendwann Flüge aus Schönefeld zu exotischen Destinationen führen. Dieser Generationenroman weist eine hohe Ortsspezifik auf. So wie es in Westberlin war, war es nicht in Frankfurt, Hamburg oder Düsseldorf, von Ostberlin ganz zu schweigen. Länger als anderswo hält sich in der „Frontstadt“ der Mythos vom politischen Widerstand. Kein „Lifestyle“ weit und breit, und auch das Wort „Gentrifizierung“ kennt man nicht. Weil aber die Berliner Wohnungsfrage bis heute unbeantwortet ist, sind die Motive des damaligen Aufruhrs bis heute nicht obsolet geworden.